TAFS – Landgang

Künstler: TAFS
Titel: Landgang
Label/Vertrieb: Nation Music
Format: MP3/CD
Jahr: 2013

Webseite: www.tafs.ch

TAFS - LandgangMir kommt’s vor, als hätte es TAFS immer schon gegeben. Stimmt natürlich nicht. In Wahrheit habe ich die Anfänge der Baselbieter nur bruchstückhaft mitbekommen. Ihr Beitrag zur 99er More Compilation, Mir Bringe…, hatte grossen Eindruck gemacht, aber ich erinnere mich noch, wie ich die legendäre Debüt-Single 8i Bahnhof via Napster ausfinding machen musste, weil sie schon nicht mehr erhältlich war. Das muss Anfang des neuen Jahrtausends gewesen sein. Doch schon 2007 feierte die TAFSquad 10-jähriges Bestehen mit dem Roots 44-Mixtape, und das bei gerade einem gemeinsamen Studioalbum. Seither sind in vergleichsweise kurzem Abstand zwei weitere erschienen. Auf Gschwäll im 2010 folgt 2013 Landgang. Während andere Crews das Mic (zumindest kollektiv) an den Nagel hängen, halten TAZ, Aman und Flink (komplettiert von Neuzugang DJ OK) Anschluss an die Moderne.

Piraten haben ja in den letzten Jahren eine gewisse Renaissance erlebt, sei es vor der somalischen Küste, auf der Kinoleinwand, oder in der europäischen Politik (während meine private Internetpiraterie definitiv der Vergangenheit angehört). Man könnte nun vermuten, TAFS möchten mit Landgang auf einer Welle reiten, die sie, was weiss ich, an die Spitze der Charts spült. Eine solche Unterstellung würde allerdings ignorieren, dass bei TAFS Kontinuität einen enorm hohen Stellenwert hat. Im konkreten Fall haben sie sich nämlich schon 1999 auf Züüg Für D’Lüt als „drei Pirate“ bezeichnet. Und so gibt es denn auf Landgang nicht wenige Hinweise auf TAFS-typische Eigenheiten. So wird zum Beispiel der Ausdruck ‚Gschwäll‘, der dem letzten Album den Namen gab, noch einmal zum zentralen Begriff, um den sich der Song Alles Vrbi dreht. Das Album-Intro besteht einzig aus dem Ausrufen zahlreicher Basler Orte – fast schon eine Rap-Version des Baselbieterlieds, wenn nicht auch die Stadt Basel erwähnt würde. Dies natürlich eine erneute Bekräftigung des TAFS’schen Lokalpatriotismus, der schon immer Teil von TAFS‘ Identität und Charme war.

Wie TAFS auf ihrer Basellandschaftlichkeit beharren konnten, gehört zweifellos zum Spannendsten in der Schweizer Hip-Hop-Geschichte, aber davon ein andermal. Tatsache ist, man bleibt sich auch 2013 treu, zum Beispiel mit dem Vereinssong, einer Reminiszenz an die Anfänge im Waldenburgertal. Man pflegt auch weiterhin den Baselbieter Dialekt, sogar mit einer gewissen Vehemenz, „bis dr letzt Brieggi unsi Sproch vrstoht“, wie TAZ es ausdrückt. Man könnte es fast schon Starrsinn nennen (der im Alter bekanntlich nicht abnimmt), wenn TAFS sich nicht diese essentielle Hip-Hop-Frische bewahrt hätten. So hat auch Vereinssong nichts nostalgisches an sich, sondern klingt in jeder Beziehung nach hier und jetzt, als ob aufgenommen am letzten Vereinshöck.

Etwas, das auch musikalisch eingelöst wird, namentlich mit der Beigabe von Dubstep in einigen Tracks. In Dizzi kommt sogar AutoTune hinzu, logischer- und ironischerweise in einem Song, der sich ums anders und sich selbst sein dreht. Reggae gehört seit einiger Zeit zum Repetoire und kommt zur Anwendung in Du Gsehsch Es Nid (konzeptuell verwandt mit Amans Ghör Di Nid) und Landgangstyle, das sich, abgesehen vom netten Gangnam Style-Kalauer im Titel, stilistisch vielleicht etwas zu sehr an Seeed orientiert. Ganz und gar stimmig kommt TAFS‘ Freibeuterei in Päirätts und Klarschiff daher, letzteres ein Frühlingsputz-Motivationssong, der sich gewaschen hat, ersteres ein souveränes Spielen mit dem Seeräuber-Sujet. Aman:

„Hän die Kanone glade, hey, ufem Weg zu dim Hafe
spiele mr Schiffvrsenke und lache sogar no denn
wenn mr hänge am Galge
Dini Männer si scho ufem Weg zu dr Planke
Ha? Vo wege vrhandle
Dini Crew het kei Wind in de Segel
macht nume Fehler und bremst wine Anker
Mir hingege händ ä Linie, hiter dere stönde no Päirätts
Ei Holzbei uf de Tanzflechi macht wie –
( *Holzstock schlägt den Takt* )
Ei Glasaug ghei-gheit uf e Bode, macht wie –
( *Glasmurmel kullert über den Boden* )
Anderi Päirätts wette gern tanze
Sie sich immer hert am vrkrampfe
Hei e Final Scratch und e iMac, aber si uf em falsche Dampfer
Und gsehn immer rot wie ne Ample
Wenn öppis nid goht, gheit’s Boot usenander
Mir hei e Hooge, e Shot in dr andere
Hand; vili farbigi Stift und e Karte
Mole die Stadt a wo mr abfackle
Kennsch uns an dr Augeklappe“

Das ganze eröffnet von Böllerschüssen und begleitet von einer mit Akkordeon und Flöte bestückten Korsaren-Kombo, die das Schiffsdeck auch als Perkussionsinstrument zu nutzen weiss. Flink (abgelöst in zwei Fällen von DJ OK) erweist sich einmal mehr als verlässlicher Produzent, der viel dazu beiträgt, dass aus TAFS-Tracks richtige Songs werden. In Dizzi entwickelt sich das Zusammenspiel zwischen wummernden Bässen und sägenden Synths zusammen mit dem Inhalt, Cloudtouch unterstützt den nachdenklicheren Ton der Raps mit melancholischen Melodien und rasselnder Perkussion. Klarschiff sorgt auch tontechnisch für die besungene Frischluftzufuhr mit fein abgestimmten dubbigen Bässen, rhythmischen Claps und neckischen Stabs. Nid Mi Ding simuliert schön die Hochglanz-Szene, der sich TAFS eher weniger zugehörig fühlen:

„Stand hinde an dr Bar und nipp an mim Bier
So viel Plastig mit no meh Plastig kombiniert
Die Welt isch bling-bling, aber mini wird’s nie
I bi eifach nid dr Typ für die Art vo Tamtam
Roll mi rote Teppich lieber vor e Hinterusgang
Stand zu de Jungs an dr Mülltonne, brötle ne Klöpfer
Und gang wieder zrugg in Club
Lo d’Veggi-Häppli links lo ligge und d’Cüpli au
Bstell e Chübel und nimm no ne Schluck
Ha kä Problem drmit, dass die Schinwerfer blende
Zieh mr mini Chappe ins Gsicht und denk mr…“

Das klingt im Gegensatz zum Vorangegangenen doch etwas rückwärtsgewandt, aber auch wenn das anschliessende Outro sich musikalisch an der Vergangenheit orientiert, so machen Aman und TAZ doch unmissverständlich klar, dass sie nicht absichtlich gegen den Strom schwimmen, sondern einfach sich selbst sind. Wie von den beiden Rappern wiederholt versichert, wird sich zwar ein gewisser ‚Ernst‘ auf dem TAF-Kahn nie zum Appell melden, aber trotzdem steckt auch in Landgang eine nicht zu unterschätzende ernsthafte Botschaft, nämlich „di sy“.

Ums kurz zu machen – auf eine durchaus angebrachte Inspectah Deck-Referenz habe ich zwar vergeblich gewartet, das ändert aber selbstverständlich nicht das geringste daran, dass Landgang ein äusserst gelungenes Projekt ist, das dafür sorgt, dass TAFS auch im 16. Jahr ihres Bestehens den Kanton BL in der obersten Spielklasse des Schweizer Raps vertreten.

TAFSKlarschiff

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