Jasco – Schwizer Ohni Pass

Künstler: Jasco
Titel: Schwizer Ohni Pass
Label/Vertrieb: Skandal Records
Format: MP3/CD
Jahr: 2013

Web: Facebook

Jasco - Schwizer Ohni Pass

Schweizer Rapper machen sich, grösstenteils unbeachtet von der Öffentlichkeit, immer wieder mal Gedanken zur Schweiz. Mit ‚Schweizer Rapper‘ meine ich selbstverständlich jeden und jede, der/die sich in diesem Land rappend äussert. Mit Staatsangehörigkeit hat das erst mal gar nichts zu tun. Doch weil ‚die Schweiz‘ gerade für Rapper mit Migrationshintergrund ein Thema ist, ist es nur logisch, dass die Nationalität in ihren Überlegungen auch zur Sprache kommt.

Jasco gibt ziemlich genau meine Meinung wieder, wenn er sich als ‚Schweizer ohne Pass‘ bezeichnet – wenn ich auch die Generation der sogenannten Secondos, die hier aufgewachsen sind, eher als, zum Beispiel, Berner oder Genfer sehe. Ein ‚Schweizer‘ ist etwas ziemlich abstraktes und wird nicht unbedingt konkreter, je mehr Einwanderer und Eingebürgerte dazukommen. Egal, ob man den ‚Schweizer‘ auf den Pass reduziert oder jeden mitrechnet, der hier einen beträchtlichen Teil seines Lebens verbracht hat, das Bild vom ‚Schweizer‘ bleibt uneinheitlich – wenn man sich nicht gerade von den offensichtlichsten Klischees an der Nase herumführen lässt.

Natürlich sind es nicht zuletzt solche Klischees, die einen jungen Menschen wie Jasco überhaupt dazu bringen, sein Verhältnis zu diesem Land definieren zu wollen. Aber es ist ja nicht so, dass ein Albumtitel wie Schwizer Ohni Pass bloss eine Reaktion auf oberflächliche Diskussionen im Blick und in der Arena wäre. (Das ist die Partei, die am penetrantesten auf dem Unterschied Ausländer/Schweizer beharrt, schlicht nicht wert.) Diese werden zwar auch angesprochen (Blocher wird ein paarmal erwähnt), aber vor allem lässt dieses Album einfach mal die andere Seite zu Wort kommen, die Jungen, die Ausländer, die jungen Ausländer.

Ein ‚Schweizer ohne Pass‘ zu sein ist ein doch ziemlich klares Bekenntnis, das eigentlich selbst Migrationsskeptiker freuen sollte. Da fühlt sich einer als Schweizer, ob das nun so in seinen Papieren steht oder nicht. Das ist auch keineswegs selten und kriegt man immer wieder zu hören von Menschen, denen die Fremde längst zur Heimat geworden ist. Trotzdem lebt jemand wie Jasco natürlich in einem Spannungsfeld, das es nicht unbedingt erleichtert, eine Identität zu finden. (Hip-Hop und Rap können da oft helfen, aber dies nur nebenbei.) Da gibt’s zum Beispiel den Song Wär Ig Bi auf Schwizer Ohni Pass, der aber weniger schwierige Identitätssuche ist als ein Klammern an simple Werte (zum Beispiel ist er der Meinung, ein Mann ohne Feinde sei ein Mann ohne Charakter). Allerdings gilt es da eben auch wieder den Faktor ‚Rap‘ einzuberechnen, denn Rap spielt einfach generell mit härteren Bandagen und einfacheren Bildern als andere Kunstformen.

So lässt er manchmal bewusst den Asi raushängen, etwa wenn er an der Seite von Eko Fresh in Dr Wahnsinn Isch Perfekt rappt, „I gib däm Blocher no rächt, ha mi schlächt integriert“. Einen Star wie Eko Fresh mit draufzuhaben ist natürlich unbestrittenermassen ein Coup, wobei die zwei nicht ganz so perfekt harmonieren, weil Ek eher den leichteren ironischen Umgang pflegt (und bei ‚Schweiz‘ erstmal an Ricola, Uhren und Steuer-CDs denkt) und Jasco demgegenüber fast zu grob einfährt. Das kann er besser, etwa in Khouya Vom Block, wo er geschickt mit Klischees jongliert:

„I gah dr Mittuwäg, als Arab oder Schwizer
Du Arsch hie würdsch itz meine als e ‚Dealer‘ oder ‚Büezer‘
[…]
I gah mi Wäg, Einzelgang, Assassin
Bi nid abghobe – uf em Teppich wie dr Aladin
Immer no so stur wie dr Ayyubi Saladin
Weles Tel Aviv? Nume Palestine“

Nicht hundertprozentig überzeugen können die Tracks, die eher sloganhaft mit dem Ausländersein umgehen. Das Thema von Vom Schwizer Zum Usländer, einem Duett mit D.O.N, wird nicht ganz klar, und Stief Vaterland beginnt erst ab der Hook Sinn zu machen, und trotzdem weiss man zum Schluss nicht genau, wo denn nun das Stief-Vaterland liegt, hier oder dort. In diesem Fall wäre Klarheit Teil des gelungenen Wortspiels. Heisst aber nicht, dass Jasco nicht ein paar gute Argumente bringen würde:

„Marhaba, bedien di nur a däm Baklava
Und während Hochzyte tanze mir Tallava
Du chunnsch nid klar und dänksch: ‚Usländer use!‘
Doch genau wäg so-m’ne Scheiss lah-n’ig dr Usländer use“

Jascos grösste Stärken liegen jedoch im Mitteilen von Erfahrungen und Beschreiben von Situationen. Der Storyteller geniesst traditionell Ansehen im Rap, und Jasco hat ein echtes Talent fürs Erzählen in Reimform. Mach Dini Eutere Stolz spricht direkt Vater und Mutter an, rekapituliert schwierige Situationen in der Vergangenheit, um sich für die elterliche Sorge und Strenge zu bedanken. Solche Zeilen können nur von Herzen kommen: „Du bisch nid e Vater wo dy Sohn i nes Heim steckt / u i bi nid e Sohn wo sy Vater mal i ds Heim steckt“.

Viel Erfahrung spricht auch aus D’Vergangeheit Hout Uf, Jenga, Gäud Macht Mi Chrank und C’est La Vie – Songs, die sich von nichts ablenken lassen und deren Realitätssinn als ausserordentlich bezeichnet werden muss. Da gehts um Drogenabhängigkeit, Kriminalität, Ausschaffungen und Autoraser aus der Sicht von Angehörigen und Freunden, zur Abwechslung mal eben nicht durch den Filter von Blick und Arena. Da werden Probleme nicht auf gesellschaftlicher oder politischer Ebene diskutiert, sondern individuell und persönlich.

Jasco kann Rap-SONGS schreiben (was man beileibe nicht von jedem Rapper behaupten kann). Da möchte man natürlich auch, dass sie in einem würdigen Rahmen stattfinden. Wie so oft bei regionalen Rap-Produkten hört man Schwizer Ohni Pass die sagen wir mal hobbymässige Herkunft an. Wobei es mehr der klangliche Gesamteindruck ist, diese typischen synthetischen Streicher und Pianos unterlegt mit relativ platten Drums. Morn ist zum Beispiel lange auf gutem Weg, aber wenn dann im Refrain der frische Gitarren-Loop durch völlig unnötige Klänge ergänzt wird, leidet der ganze Track darunter. Musikalisch erwähnenswert sind Wär Ig Bi mit 90er-Atmosphäre und Scratches, das sinistere Z Läbe Wod Nid Kennsch, die Umsetzung des Zwiegesprächs mit der eigenen Geldgier in Gäud Macht Mi Chrank, oder auch die reicher instrumentierten Intro und Outro. Der ausgereifteste Track dürfte Mach Dini Eutere Stolz sein – Sänger Samir Essahbi unterstreicht die Emotionen des Textes und auch der Beat erweist sich als vielschichtig.

Als jemand, der es begrüssen würde, wenn die Leute, die Bligg zu seinem Erfolg verhelfen, auch etwas von Jasco mitbekommen würden, wünschte ich natürlich, er könnte das musikalische Ghetto, in dem sich Schwizer Ohni Pass leider Gottes halt trotzdem abspielt, ab und zu verlassen. Da gab’s zum Teil schon Momente, wo ich mir gedacht habe: Nicht schon wieder so ein Rapper, der Berns Westen mit Berlin-Neukölln verwechselt. Insgesamt belehrt mich das Album eines besseren, aber ich habe auch Übung in der Deutung von Rap-typischen Ansagen, wie sie in Khouya Vom Block gemacht werden. Aber letztlich spricht Rap in den wenigsten Fällen die grosse Masse an und wenn dieser ‚Bruder vom Block‘ Jugendlichen eine Stimme gibt, die anderswo eben nicht zu Wort kommmen, dann ist das schon sehr viel.

JascoGäud Macht Mi Chrank

JascoKhouya Vom Block

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